Die Sage vom Schäfer Koppehele und die Figuren am Magdeburger Dom

Thomas Koppehele, dessen Familie um 1160 aus Flandern eingewandert war und in Gräfendorf lebte, soll jener Schäfer gewesen sein, auf den sich eine Sage bezieht. Die Sage existiert in zwei Varianten: einer Magdeburger und einer Jüterboger. Die Jüterboger Variante finden Sie unter www.flaemingdorf.de. Die Magdeburger Variante wird hier erzählt.

Nach der großen Ungarnschlacht im Jahre 955 ließ Otto der Große an der Stelle der kleinen Kirche Moritzklosters, wo seine Gemahlin Editha ruhte, eine neue, die erste Domkirche herstellen, wozu er einen großen Teil der den Ungarn abgenommenen Kriegsbeute und später von Italien aus kostbaren Marmor, Gold und Edelsteine spendete.

Da entstand im Jahre 1207 zur Zeit des Erzbischofs Albrecht II. eine furchtbare Feuersbrunst, durch welche nicht nur ein großer Teil der Stadt, sondern auch die Domkirche vernichtet wurde. Doch schon ein Jahr darauf begann der Erzbischof mit dem Wiederaufbau des Domes, zu dem ihm anfangs von vielen Seiten reichliche Unterstützungen zuflossen. Da aber der Neubau viel größer und prächtiger werden sollte und daher ungeheure Kosten verursachte, so flossen die Spenden immer spärlicher, und der Erzbischof  hatte Not, das Werk zu fördern. Da soll ihm ein frommer Schäfer geholfen haben, worüber die Sage Nachstehendes berichtet:

Der Schäfer des Klosters Berge – er soll Coppehle geheißen und aus Gräfendorf bei Jüterbogk gestammt haben – weidete einstmals seine Herde auf dem Anger vor Magdeburg. Wie es nun Mittag war und die Sonne heiß schien, setzte er sich, um zu ruhen, auf einen Stein, den er dort fand. Sein Knecht aber saß neben ihm, und seine Hunde lagen ihm zu Füßen. Da kam eine Maus aus ihrem Loche, und als die Hunde ihrer gewahr wurden, machten sie Jagd auf sie. Die Maus aber verschwand schnell unter dem Steine. Jetzt liefen die Hunde bellend um den Stein, fingen an zu scharren und zu wühlen, warfen die Erde auf und brachten dabei Münzen zutage. Der Schäfer hob sie verwundert auf, betrachtete sie und fand, daß es Goldmünzen seien. Da stieg in ihm die Vermutung auf, daß unter dem Stein ein Schatz verborgen sein könne, und er wälzte mit dem Knecht den Stein fort. Nun fingen beide an zu graben und fanden endlich zu ihrem großen Erstaunen einen mächtigen Kessel, der mit Goldstücken gefüllt war.

Ratlos standen sie da, denn sie wußten nicht,  was sie mit dem Schatze beginnen sollten. Von denen erfuhr es der Abt. Er kam zum Schäfer und suchte ihn zu bewegen, den Schatz oder doch einen Teil desselben dem Erzbischofe zum Bau des Domes zu überbringen. Der fromme Schäfer folgte der Mahnung des Abtes und legte den ganzen Schatz zum Dombau in die Hände des Erzbischofs. Gern nahm dieser das Geld an und setzte mit neuem Eifer das gute Werk fort. Der Schäfer aber musste von nun an in seinem Palaste wohnen und stieg später zu hoher geistlicher Würde. Zur Erinnerung  an seine Freigebigkeit ließ der Erzbischof das steinerne Bild des Schäfers wie auch auch das seines Knechtes mit den Hunden über der sogenannten Paradiespforte, dem nördlichen Eingange des Domes, anbringen. An einem Steine aber der am nördlichen Turme eingemeißelt wurde, ist zu erkennen, wie weit der Bau mit dem Gelde des Schäfers gefördert wurde.

Quelle: Wilhelm Schlak aus „Magdeburger Sagen“ nacherzählt von Otto Fuhlrott, Herausgeber: Stadtleitung des Deutschen Kulturbundes, Magdeburg, S. 73

Die Schäfergruppe, eine Nachbildung aus dem frühen 19. Jahrhundert, ist noch heute an der Nordseite des Domes zu sehen. Einer weiteren Überlieferung zufolge, soll der Schatz bis zu dieser Höhe für den Bau des Domes gereicht haben. Abb. aus: „Der Dom zu Magdeburg“ von C. L. Brandt, Magdeburg 1863